Zwei deutsche Outdoorfans und ihre 70 Huskys trotzen im hohen Norden Norwegens Wind und Wetter

Es ist noch stockdunkel, als Björn Klauer an diesem kalten Januarmorgen gegen sieben Uhr aus dem Fenster seines Holzhauses im norwegischen Innset schaut. Es gab über Nacht etwas Neuschnee. Bevor er und seine Frau Regina ihr Tagwerk beginnen können, müssen Hof, Wege und Zugänge von der weißen Pracht befreit werden. Wess es im Winter rausgeht, heißt es aber erst einmal, sich warm anziehen, und zwar richtig warm. „Am besten in mehreren Schichten“, rät Klauer, der hinzufügt, dass das Thermometer in den Wintermonaten hier gerne mal die 30er Marke knackt, im Minusbereich wohlbemerkt.
Seine Frau Regina Elpers schaut inzwischen nach ihren 70 Schützlingen. Nur der Lichtkegel ihrer Stirnleuchte weist ihr den Weg. Die Huskys haben sich zum allmorgendlichen Rudelgeheule kurz zu Wort gemeldet, bevor sie sich wieder zusammenrollen, um noch eine Runde zu dösen. Die meisten sind vom Schnell noch ganz eingedeckt, aber der lässt die robusten Hunde auch völlig kalt. Alles in bester Ordnung.

 

So nahm alles seinen Anfang

Gebürtig kommt Björn aus Hamburg. Vor genau 30 Jahren zog es den damals 28-Jährigen in den Norden. In Oslo brach der Outdoorfan zu einer rund elfmonatigen Wanderung auf, die ihn über 3500 Kilometer quer durch Norwegen bis hin zur sowjetischen Grenze bei Kirkenes führte. „Mein Ziel war es, einmal quer durch das ganze Land zu ziehen und dabei alle vier Jahreszeiten mitzunehmen“, so Björn Kllauer, der übrigens die letzten Monate seiner ungewöhnlichen Reise auf Skiern unterwegs war. „Anders wäre ein Vorankommen auch kaum möglich gewesen“, sagt er. Und nach dieser Tour steht der Entschluss fest: hier will er bleiben. Mit nur 3000 Mark in der Tasche macht sich Björn Klauer mit seiner damaligen Lebensgefährtin auf, um im hohen Norden Norwegens ein neues Leben zu beginnen …

„Und diesen Entschluss habe ich in all den Jahren keinen einzigen Tag bereut“, so der hochgewachsene Auswanderer. Heute betreibt der 58-Jährige gemeinsam mit seiner zweiten Frau die Huskyfarm, die er vor 25 Jahren aufgebaut hat. „Schon während meiner Wanderung bin ich auf den Hund gekommen“, erinnert sich Klauer, „ein Grönland-Hund war mein ständiger Begleiter. Er zog mit einer Pulka einen Teil meines Gepäcks.“
Als er sich dann im Norden niedergelassen und die finanzielle Situation es irgendwann zuließ, erfüllte sich der junge Deutsche einen Traum und schaffte sich ein kleines Hundegespann von sechs Tieren an. „Die können schon einen Schlitten inklusive Gepäck und Verpflegung für 14 Tage ziehen“, sagt er und erzählt von seinen ersten Abenteuern in der winterlichen Wildnis der norwegischen Tundra. Er erzählt mit so viel Hingabe und Freude, dass es ansteckt. So erging es Freunden und Bekannten wohl auch, denn im Laufe der Zeit wollten im mehr Menschen mit Björn auf Winterexpedition gehen. Ein Gespann reichte dafür natürlich nicht aus. „Tja“, erinnert er sich, „da kam seinerzeit der Wurf unserer damaligen Hündin gerade recht.“ Aber: Mehr Hunde brauchen mehr Platz. Und genau dieses Stückchen Erde hat Klauer In Innset gefunden. Das kleine Örtchen liegt in der norwegischen Provinz Troms, rund 300 Kilometer nördlich des Polarkreises. Hier leben rund 160 000 Menschen auf 25 869 km².Die Landschaft in der Troms ist abwechslungsreich. Hügelige Berglandschaften mit Birken- und Kiefernwäldern, die unendliche Weite der Tundra, die mit unzähligen Seen und Flüssen ausgestattet ist, geben sich hier die Hand. „Ich war damals unglaublich glücklich, dieses Platz für mich und meine Familie gefunden zu haben“, sagt der gebürtige Hamburger, dessen Huskyfarm im Sommer 2014 25-jähriges Bestehen feiert.

Das dieses Unterfangen viel Arbeit bedeutet und nicht mehr nur als Hobby nebenher laufen konnte, war dem Deutschen klar. Schließlich haben nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere großen Hunger. „So ein Husky vertilgt, je nach Größe und  Arbeitseinsatz, bis zu 1,5 Kilogramm hochwertiges Fleischgemisch“, so Klauer. Also macht er sein Hobby kurzerhand zum Beruf und erfüllt sich damit einen großen Traum. Jedes Jahr lockt das Abenteuer Hundeschlittentour viele Outdoor begeisterte Touristen in das kleine Dorf Innset, um einmal mit einem eigenen Hundegespann den winterlichen Zauber der unendlichen Weite Nordnorwegens zu erliegen.

 

Ein Traum wird Wirklichkeit

Zu ihnen gehörte vor vielen Jahren auch Klauers heutige Frau Regina Elpers. „Ich habe 2001 selbst an einem mehrtägigen Huskycamp teilgenommen“, erinnert sich die 50-Jährige, „und es war einfach großartig.“

Sie verstand sich auf Anhieb gut mit dem Tourenführer. So richtig gefunkt hat es aber erst, als die beiden sich kurze Zeit später bei einem Diavortrag des Huskyfarmers in Deutschland wiedertrafen. Regina Elpers, die sich im Münsterland mit einer Eventagentur selbstständig gemacht hatte, stand damals vor einer großen Entscheidung: Huskys oder Eventagentur. „Ich bin im Herbst noch einmal für sechs Wochen hier gewesen und dann stand der Entschluss, Deutschland zu verlassen, endgültig fest“, so die Auswanderin.
Nur der Liebe wegen wäre sie das Abenteuer nicht gegangen. „Die Natur, den Winter und die Einsamkeit muss man schon mehr als mögen, um diesen Schritt zu gehen“, sagt die tierliebende Elpers, „und ich habe mich hier einfach sofort pudelwohl gefühlt.“ So war es eine logische und gleichwohl mutige Konsequenz, dass sie am 1. Januar 2002 mit ihrem vollbepackten Bulli und den beiden Hunden in das 3000 Kilometer entfernte Innset aufbrach.

Regina Elpers strahlt über das ganze Gesicht, wenn sie von ihrem anstrengend anmutenden Alltag, das von den Launen des Wetters geprägt und bestimmt wird, erzählt.

 

Regina-hunde-füttern-SchneeWetter bestimmt den Alltag

„Jeden Morgen – besonders in den Wintermonaten – gucken wir erst einmal aus dem Fenster“, so die zierliche Frau, „Wenn wie heute Neuschnee gefallen ist, dann müssen wir immer erst den Hof weitläufig räumen, bevor es an andere Aufgaben geht.“ Und die Liste ist lang. An erster Stelle steht das Wohl der Hunde, da sie für den Lebensunterhalt der beiden Auswanderer sorgen. Ab September werden die robusten Huskys – vornehmlich eigene Züchtungen aus sibirischen und grönländischen Elterntieren – intensiv auf die Saison vorbereitet. Bei dem Training der 70 Tiere wird das Ehepaar jedes Jahr von zwei „Hundetrainern“ unterstützt.

Die Praktikanten können gegen Kost und Logis rund vier Monate das Leben und die Arbeit auf der Huskyfarm kennenlernen.
Hundetrainer gesucht

Für die Wintersaison 2013/2014 hat es den 18-jährige Schüler Felix aus dem Schwarzwald und die 23-jährige Werbekauffrau Madita aus Hamburg in den hohen Norden gezogen. Beide wollte einfach mal raus aus ihrem Alltag und was Neues erleben. „Ich bin so manches Mal echt verzweifelt“, erzählt Madita, die jetzt im Januar noch einmal die Huskyfarm besucht, um gemeinsam mit Felix und Björn ein Touristencamp zu betreuen. Den Schlitten richtig zu steuern, fiel der Werbekauffrau am Anfang nicht ganz leicht. Mit ein wenig Übung bewegt sie sich heute wie „ein alter Hase“ auf den Kufen und lenkt jeden noch so vollbepackten Schlitten geschmeidig in die Kurve. „Die Weite hier oben, die Natur, die Hunde!“ All die Erfahrungen möchten die jungen Deutschen nicht mehr missen, auch wenn die Zeit hier mitunter sehr anstrengend war. „Wir haben ja nicht nur täglich mit den Hunden gearbeitet, sondern auch noch sämtliche anderen Aufgaben übernommen, z.B. die Loipen für die anstehenden Touren präpariert“, so der Schwarzwälder, der sich jetzt auf sein erstes Camp in der winterlichen Wildnis Nordnorwegens freut.

 

BKW-17-0068100 Tage im Jahr unterwegs

In den Wintermonaten ist Björn Klauer rund 100 Tage mit den Touristen und den Hundeschlitten in der weitläufigen Tundra der Troms unterwegs. Zu anstrengend? „Nein, ich kann mir keinen anderen Job mehr vorstellen“, sagt Klauer, den man sein Alter nicht ansieht. Auch dick verpackt bewegt er sich leichtfüßig. Jeder Handgriff sitzt. Zu langweilig? Klauer schaut irritiert. Nein, Langeweile kommt bei diesem Job wirklich keine auf. „Die Menschen, die sich für eine solche Tour entscheiden, haben jede Menge zu erzählen“, sagt er. Und auch wenn er immer wieder ähnliche Touren mit ähnlichen Zielen anbietet, so weiß man nie, was einen erwartet. „Wir starten, und zwar bei jedem Wetter“, so Klauer, „und nicht immer scheint die Sonne.“ Jede Tour ist und bleibt ein Abenteuer und birgt immer wieder kleine Überraschungen – auch für den Routinier.

Immer dann, wenn ihr Mann mit den Touristen durch die Weite der Natur fahrt, kümmert sie hier vor Ort um alles. Neben den Touren gibt es auch die Möglichkeit, auf der Farm Urlaub zu machen und von hier aus ein, zwei Huskytouren zu starten.

 

Fast alles selbstgemacht

Ganz viel Wert legt die ehemalige Hotelfachfrau auf qualitativ hochwertige Ernährung. „Wir bekommen hier frisches Fleisch von Tieren geliefert, die artgerecht gehalten wurden. Und das wird dann von uns selber weiter verarbeitet“, so Regina Elpers, die im Jahr rund 1000 Brote in ihrem riesigen Steinofen backt. Alles, was nur irgendwie möglich ist, wird auf der Farm selbst angebaut und frisch verarbeitet.

„Im Winter sind wir überwiegend mit dem Tourismus beschäftigt, aber auch in den Sommermonaten ist zum Ausruhen keine Zeit.“ Neben der Instandhaltung des Hofes, der gesamten Materialien, der Essensvorbereitungen haben die beiden Deutschen mit einigen Helfern auch das Gästehaus selbst gebaut.

Und Urlaub? „Natürlich haben wir Freunde, die sich während unserer Abwesenheit um die Hunde kümmern“, so Elpers, „aber ich bin ehrlich gesagt nur ungern lange von hier weg.“ Und wenn, dann begibt sie sich am liebsten mit ihrem Mann Björn auf waghalsige Outdoor-Expeditionen. Im vergangenen Jahr haben sie z.B. gemeinsam einige Monate auf Spitzbergen nach Hinweisen über ein vor 100 Jahren verschollenes Forscherteam gesucht. Das von der Natur bestimmte Leben im hohen Norden Norwegens hat es den beiden Deutschen angetan – die Huskyfarm ist ihr Zuhause, das sie wirklich über alles lieben. Kerstin Klimenta

 

Reiseinformationen

Die Huskyfarm Innset liegt in  der Troms, rund 300 Kilometer nördlich des Polarkreises. In der Gegend zwischen Narvik und Tromsö kommt gerade mal ein Einwohner auf den Quadratkilometer. Die Landschaft in der Troms ist abwechslungsreich. Hügelige Berglandschaften mit Birken- und Kiefernwäldern, die unendliche Weite der Tundra, die mit unzähligen Seen und Flüssen ausgestattet ist, geben sich hier die Hand. Von November bis Januar lässt die Dunkelheit der Nacht keine Sonnenstrahlen zu, aber in den Sommermonaten ist die Gewalt des Tages so stark, dass man bei gutem Wetter nachts die Sonne sehen kann. Björn Klauer und Regina Elpers bieten auf ihrer Farm unterschiedlich anspruchsvolle Husky-Touren sowie auch Urlaub auf der Huskyfarm an. Sowohl fortgeschrittene Outdoorfans als auch reine Anfänger finden hier das richtige Angebot. Björn Klauers Huskyfarm feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen – die langjährige Outdoorerfahrung des gebürtigen Hamburgers kommt den Gästen zugute und lässt die Touren auch bei widrigen Wetterbedingungen zu einem einmaligen Erlebnis werden. Die Anreise ist nicht im Preis inbegriffen, wohl aber der Transfer vom Flughafen Bardufoss. Flüge sind ab ca. 250 Euro (inkl. Rückflug) ab Hamburg zu bekommen. Huskyfarm.de